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Hörenswertes: April 2011: Explosions in the Sky, Za!, The Mountain Goats, Colin Stetson

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Nein… Heute wird an dieser Stelle mal nicht über das Wetter gejammert… Warum sollten wir auch, wenn uns die Tage so heiße Musik auf den Tisch bringen? Richtig feurig wird es mit wüstem, chaotischen Hack-Zappa-Prog von Za! und ihrem musikalischen Bastard Megaflow, sowie ambivalentem Post-Jazz vom Arcade Fire Saxophonisten Colin Stetson. Explosions in the Sky machen wieder einmal was sie am besten können, gediegenen, atmosphärischen Postrock und John Darnielle lässt auf All Eternal Deck erneut die etwas lauteren Seiten von The Mountain Goats zum Vorschein kommen, freilich ohne auf wunderschöne subtile Songwriterballaden zu verzichten.

Za! – Megaflow

(Discorporate, 25.3.2011)

Wenn es mal wieder ordentliche WTF-Musik sein soll… Der irrwitzige Slow Progressive, RIO, Free Jazz, World Music Mix von Za! klingt ein wenig so, als wäre jemand mit einer Kettensäge auf The Mars Volta losgegangen und würde jetzt die Einzelteile zusammensuchen. Einmal gemischtes Zappa-Hack bitte, oder so ähnlich. Auf jeden Fall alles andere als gewöhnlich und leicht konsumierbar. Zwischen Extremmetal der Marke Sleepytime Gorilla Museum und Patton, fragmentarischen Progversatzstücken, die nie zu einem Ganzen finden wollen, experimentellem Kurzjazz à la John Zorn und vertrackten zappaesken Albereien ist Megaflow wirklich ein abartiger, abseitiger musikalischer Bastard. Aber im Chaos findet sich auch so etwas wie Schönheit, gar ein Anflug von Sinn, der freilich kurz darauf von irrem Geschreie zertreten wird. Es muss schon Prog drin sein, wenn Prog draufsteht, und so werden folgerichtig Liebhaber von Songs und klarer musikalischer Strukturierung wenig Freude an Za! haben. Für Freunde experimenteller Klänge und Menschen, die gerne ihre Nachbarn/Mitbewohner/Eltern erschrecken wollen, ist Megaflow aber ein gefundenes Fressen. Weird, chaotisch, unsortiert… very nice!

 

Explosions in the Sky – Take Care, Take Care, Take Care

(Universal, 23.4.2011)

Ein bisschen Verwunderung war schon angebracht, als Explosions in the Sky den ersten Track vom Take Care Trio präsentierten und dieser mit seinem symphonischen Pathos, seiner Knappheit und seinen Chorälen eher an Ambient denn Postrock erinnerte. Und dann auch noch dieses bunte, fast schon naive Coverartwork, das so gar nicht in die Reihe entweder reduzierter oder impressionistischer Covergestaltungen der Band passen will… Doch gleich das erste Stück des Albums, der elegische Achtminüter “Last Known Surroundings” bietet genug Grund zur Entwarnung. Auch auf ihrem sechsten Studioalbum spielen Explosions in the Sky epischen, dichten und spannend gestrickten Postrock, der sich geschickt zwischen den Polen GY!BE und Mogwai bewegt. Das wirkt im Jahre 2011 zwar etwas sehr traditionell aber Dank seiner phantastischen Atmosphäre niemals antiquiert oder filzig. Stattdessen entführt auch dieser Kompositionsreigen wieder in dunkle und lichte Soundwälder, umgarnt und umspielt mit satten Arrangements und bietet durch pointierte Zurücknahme genug Platz für das eigene Kopfkino.

 

The Mountain Goats – All Eternal Deck

(Tomlab, 1.4.2011)

Ein neues Mountain Goats Album ist immer eine gute Nachricht, immer. Auch wenn dieses Ereignis schon seit jeher mit beängstigender Regelmäßigkeit stattfindet und auch wenn die letzten – manchmal etwas zu samtweichen – Alben ganz gut verbergen konnten, dass John Darnielle ja eigentlich der Punk und Metalhead unter den Songwritern ist. Aber mit nem Ex-Morbid Angel Gitarristen als Mitproduzenten müsste sich das ja eigentlich wieder unter Beweis stellen lassen, oder? Und tatsächlich ist All Eternal Deck um einiges rauer und vitaler als die letzten Veröffentlichungen. Klar, dreckige Lo-Fi-Taten wie “The Coroner’s Gambit” oder sauig rockende Outsiderromantik wie auf “We shall all be healed” wird man von den Mountain Goats wohl nicht mehr zu hören kriegen. Mit einem richtigen Label im Rücken und unter ordentlichen Produktionsbedingungen fehlt natürlich der Tape-Charme, der Darnielles frühere Werke ausmachte. Aber wenn er immer wieder etwas unter Beweis stellt, dann dass er hier wie da große Songs schreiben kann. Auch auf All Eternal Deck.

Egal ob im leichtmetallenen Riffgewitter des Gänsehaut erzeugenden “Estate Sale Sign” oder im zurückgenommenen Americana-Versatzstück “Beautiful Gas Mask”. Darnielle weiß die Genres zu füllen, die er bedient. Und so bewegt er sich wieder einmal zwischen Singer/Songwriter, Folk und Indie Rock. Auf jeden Fall  deftiger als auf den letzten Alben, straighter und auch abwechslungsreicher. Aber auch wenn wir den lauten, wütenden Darnielle präferieren, sitzen seine Balladen, seine nachdenklichen Lagerfeuerromantik-Stücke ebenso wie angegossen. So bestätigt “All Eternal Deck” wieder einmal, dass eine neue Mountain Goats Veröffentlichung immer, immer, immer Grund zur Freude ist. Und sei es nur darum, dass diese eben auch wieder Lust auf die alten Lo-Fi-Alben sowie generell alle Werke John Darnielles weckt. Hmmm… vielleicht wäre es mal an der Zeit für eine Mountain Goats Retrospektive…

 

Colin Stetson – New History Warfare Vol.2: Judges

(Constellation, 25.2.2011)

Was darf man erwarten, wenn ein Arcade Fire Saxophonist fremdgeht und ein eigenes Soloalbum veröffentlicht? Vieles, aber auf jeden Fall nicht das, was Colin Stetson seinen Hörern mit “New History Warfare Vol.2: Judges” um die Ohren haut. Während er und sein Saxophon bei der Hausband für einen warmen, die skurril charmanten Popsongs unterstützenden Soundteppich sorgt, wechselt er auf seinen Warfares radikal in ein anderes Genre. Der interessierte Hörer dürfte schon beim Opener vorgewarnt sein, der einen düsteren Noise/Drone-Bastardsound etabliert. Und auch auf den folgenden Stücken ist von schmeichlerischen Indie-Songs keine Spur. Stetson bewegt sich ambivalent – jedoch nie zerfahren – auf den Spuren des zeitgenössischen Post-Jazz und hat wie seine Genrekollegen keine Probleme damit verschiedenste Genre- und Stilbrüche in das Material einfließen zu lassen. Neben dem gewichtigen Flirt mit Drone und Noise sind es vor allem e-musikalische Einflüsse, zu denen Stetson sich hingezogen fühlt: Experimental, Avantgarde, Minimal… zwischen fragmentarischen Krauteinschüben klopfen permanent Steve Reich, John Cage und Fred Frith an die jazzige Eingangspforte. Dabei beweist sich das Album immer wieder als spannender Wechselbalg zwischen freier Improvisation und mathematischer Präzision, so dass man ihm gar die mitunter etwas krude wirkenden Ambient-, Ethno- und World-Einschübe verzeihen mag. Insgesamt also ein spannendes, vielschichtige und vielgesichtiges Solowerk, weniger für Arcade Fire Fans als viel mehr für den offenen und Experimenten nicht abgeneigten Post-Jazz-Enthusiasten.



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